Es passiert ja gerade irgendwie alles und dann auch wieder nichts. In unserem kleinen Kosmos, also daheim in Quarantäne, geschieht gefühlt gar nichts. Letzte Woche waren „Osterferien“ und wir haben uns vorgenommen, in dieser Zeit wenig zu arbeiten und viel zu genießen. Wir lebten in den Tag hinein und waren gespannt was er uns bringen wird.
Ein Urlaub, wie wir ihn uns wünschen: Zeit mit der Familie (also zumindest mit der im selben Haushalt lebenden), feines Wetter, einen Garten, nette Nachbarn mit denen man ab und an ein Abstandsbier trinkt. Es war gemütlich und gleichzeitig langweilig. Weil eben nicht viel war. Weil da eben gerade nicht viel ist. Möchte man meinen. Wenn man aber genauer hinsieht, passiert da gerade alles.
Das anfängliche Urlaubsgefühl der ersten Zeit in Quarantäne, diese enorme Positivitywelle, hat nachgelassen. Also zumindest bei mir. Ich bin immer noch erstaunt wie gut alles im Grunde funktioniert und vor allem darüber wie viele Menschen nähen können.
Die verflixte vierte Woche
Diese letzte, die vierte Woche war für mich härter als die Wochen davor, denn mich überkam fast plötzlich und sehr unvorhergesehen ein Gefühl, das ich in der Intensität schon lange nicht mehr hatte. Ich vermisse. Ich vermisse meine Freunde, meine Familie, meine Arbeit und die wunderbaren Menschen, die ich dadurch kennenlernen darf. Ich vermisse meine Ausbildung, die Nahrung für mein Hirn. Ich vermisse das Einkaufen, das unterwegs sein, aber auch das komplette alleine sein. Das Durchatmen, das manchmal einfach länger dauern muss als nur einen kurzen Moment.
Ich habe kein Bedürfnis und keine Muße mich hinzusetzen und zu arbeiten. Ich weiß zum heutigen Zeitpunkt noch nicht, wann meine Kurse wieder beginnen dürfen. Werde ich im Sommer arbeiten können? Soll ich alles auf Eis legen und im September neu starten? Wird es im September denn möglich sein? Diese Ungewissheit macht mich irgendwie leer und ich möchte keinen weiteren nicht zielführenden Gedanken an meine Projekte verschwenden.
Es fiel mir schwer im Hier und Jetzt zu sein. Ich wollte einfach für mich sein. Einen Kaffee, bisschen Musik und in Ruhe ein paar Tränen vergießen.
Hört ihr das Gras wachsen?
Ich war jetzt fast fünf Wochen (bis auf meine Laufrunden) nicht „draußen“ – vielleicht war es das, was sich letzte Woche dann so auf mein Gemüt geschlagen hat. Eine Achterbahn der Gefühle. Ich bin erwachsen und bekomme das wieder in den Griff, solange ich meine Emotionen auch rauslassen kann. Ich weiß irgendwo ist ein Licht am Ende des Tunnels. Weil ich reflektieren kann, mit meinem Partner, meiner Familie und meinen Freunden. Und während ich letzte Woche so mit mir haderte, merkte ich, dass fast unbemerkt neben all dem anfänglich gefühltem „Nichts“ eine ganze Menge geschieht. Es passiert einfach so nebenbei: Die Kinder wachsen. Dass sie das physisch tun, ist schon klar. Aber ich rede von der Art wachsen, die einen denken lässt „wo ist denn die kleine Maus, die ich letzte Woche noch in den Schlaf getragen haben?“. Sie wachsen an dieser Ausnahmesituation. Sie haben diese Situation so unfassbar schnell hingenommen, was ich bei der Tatsache, dass sie eigentlich tagtäglich mit mindestens zwanzig anderen Kindern im selben Alter Kontakt haben, mehr als beeindruckend finde.
Sie lernen ständig, bei jeder Tätigkeit. Und das ohne viel Zutun von uns Eltern. Ich bin ein Freund des freien Spiels. Es ist mir nicht neu, dass Exploration ein Grundbedürfnis und ein wichtiger Faktor fürs Lernen und Wachsen ist, aber ich habe es noch nie über so eine lange Zeit vor Augen geführt bekommen. Ich habe das Gefühl die Kinder sind selbständiger geworden.
Ausbrechen oder Genießen? – Beides!
Bis auf das gemeinsame Essen, haben wir keine Termine und somit können die Kinder in ihrem Tempo leben. Ich beobachte dies nun seit einigen Tagen genauer und frage mich, ob das immer schon so war und ich einfach nie genug Zeit hatte hinzusehen? Oder liegt es gar am Frühling? Oder haben wir sonst zu viel vor und die Kinder kommen gar nicht so viel dazu sich selbst auszuprobieren, frei zu spielen und an ihren Streitereien zu wachsen. Denn, versteht mich nicht falsch, auch die gibt es. Genauso wie Wut, Trauer, Geschrei und all die anderen Dinge, die zum Kindsein dazugehören. Ein paar Wochen haben wir ja noch vor uns, so ganz nah beisammen. Und obwohl ich mittlerweile mehr als bereit bin, hier mal auf Pause zu drücken und einfach für mich zu sein, ist es auch wunderbar so nah dran sein zu können. Also: die Achterbahn der Gefühle, das Gespaltensein zwischen dem Ausbrechen und dem Genießen wird wohl noch eine Weile dauern. Und da wir das ohnehin nicht ändern können, bemühe ich mich sehr, das Beste aus dieser surrealen Zeit rauszuholen – wer weiß denn schon, wann wir wieder so eng mit unseren Kindern sein werden.
Bleibt daheim und bleibt gesund!
Schönes Wochenende!
Eure Anna