Als ich in meiner Spielgruppe mit den Müttern darüber sprechen wollte, dass jedes Verhalten ihres Babys Sinn macht und diese Menschenkinder nie gegen uns arbeiten würden, haben alle wissend genickt. So im Sinne von „Ist doch eh klar. Würden wir nie infrage stellen!“ Ich fand das großartig und dachte nur „Hey, diese Mamas sind so nah bei ihren Kindern, da kann kommen was will.“
Wenn Momente schleichend kommen…
Zu Hause begann ich nachzudenken, wie das bei mir so war. Und mir fiel ein, dass ich haar genauso dachte, als meine beiden Töchter Babys waren. Das ist chemisch wahrscheinlich gar nicht anders möglich. Der Oxytocinrausch in den ersten Monaten hält zum Glück die ganze Familie am Leben. Aber dann fiel mir weiter ein, dass sich etwas verändert hatte, als sie Kleinkinder wurden.
Da kommen sie dann nämlich, diese kleinen Momente, in denen man sich doch manchmal ganz still und leise fragen hört „Macht sie/er das mit Absicht?“. Und sie kommen schleichend, diese Momente, ganz langsam und werden immer mehr. Also zumindest dann, wenn einem nicht bewusst ist, dass Kleinkinder niemals gegen ihre Eltern arbeiten würden.
Der gemeinsame Endgegner
Eines der wichtigsten Werkzeuge um Kinder verstehen zu können und ihre Bedürfnisse zu erkennen ist Empathie. Wenn wir davon ausgehen, dass alles Verhalten unserer Kinder Sinn macht, dann geht es für uns Eltern in erster Linie darum, herauszufinden, welches Bedürfnis hinter dem Verhalten unserer Kinder steckt. Das klingt ja jetzt erst einmal gar nicht so schwierig. Als Unwissender könnte man davon ausgehen, dass man ein Kind einfach fragt „Was möchtest Du Denn?“ oder auch „Was passt Dir denn gerade nicht?“ und man bekommt eine zufriedenstellende Antwort. Nämlich so eine, die man sofort versteht und im besten Fall auch gleich reagieren kann. Nun ist es leider jedoch meistens so, dass wir unsere Empathie gerade dann am Notwendigsten brauchen, wenn sie am ehesten verdrängt wird. Nämlich vom Endgegner – nein ich meine nicht das Kind (*hust*) – unser aller Endgegner: Stress!
In stressigen Situationen funktionieren unsere Spiegelneuronen (die für Empathie verantwortlich sind) nämlich nicht und unser ganzes System schaltet auf Autopilot. Im schlimmsten Fall bedeutet das für einige von uns, dass wir in alte Muster unserer eigenen Kindheit zurückfallen. Und ganz plötzlich werden diese kleinen Momente zu Riesen und wir beginnen Fehler zu suchen – leider meistens nicht dort, wo sie eigentlich liegen, sondern dort wo es am Einfachsten ist: beim Kind.
Zeit für Alle
Wir werden nicht drum herumkommen, hier und da stressige Situationen mit unseren Kindern zu erleben. Aber wir können dafür sorgen, dass diese so gering wie möglich sind. Wenn wir verstanden haben, dass das Verhalten unserer Kinder in jedem Moment Sinn für sie macht und nicht ein Verhalten gegen uns Eltern ist, dann sollten wir nur versuchen, dass uns der Endgegner (ihr wisst schon, ich meine Stress) nicht in die Quere kommt.
Bleibt nur eines: Wie?
Das Gegenteil von Stress ist Ruhe und Ruhe hat man, wenn man Zeit hat. Kinder brauchen Zeit. Eltern brauchen Zeit. Empathie braucht Zeit. Leider ist Zeit ein eher seltenes Gut in der heutigen Gesellschaft. Wenn ich als Elternteil jedoch weiß, dass mir Zeit (und sei es nur ein bisschen mehr als bisher) innere Ruhe schafft und ich dadurch „besser hinsehen“ kann, um das Verhalten meines Kindes zu verstehen, dann wäre es doch sinnvoll sich etwas Zeit zu nehmen bzw. zu schaffen. Auf der einen Seite sind weniger Termine, also Zeit im Allgemeinen, sehr hilfreich, um Stress zu reduzieren bzw. zu vermeiden.
Auf der anderen Seite spreche ich hier jedoch insbesondere von Zeit für Euch selbst!
Mehr als „nur funktionieren“
Und nun mein Appell an alle Eltern:
Nehmt euch Zeit und tut etwas, das Euch (und somit Eurer Familie) gut tut – jeden Tag! Für manche bedeutet das eine Tasse Kaffee, die achtsam getrunken wird, für andere eine Runde spazieren mit dem Hund. Und jetzt kommt das wichtigste: Macht das ohne Eure Kinder. Gebt Eure Kinder ab, das ist ok. Nein, das ist notwendig! Ihr braucht Ruhe oder auch Entspannung, damit ihr für Eure Kinder da sein könnt. Wir können so viel mehr, als „nur“ funktionieren.
Da werden sich nun einige denken „Haha, die ist lustig. Wie soll denn das funktionieren?“. Mir ist schon klar, dass viele in Situationen leben, wo es nicht so easy cheasy geht, das Kind „abzugeben“. Da kommt dann aber gleich mein zweiter Apell: Geht in Spielgruppen, vernetzt Euch, schafft Euch ein Rudel! Irgendwo ist immer jemand, der Euch unterstützen kann und mag.
Und all diejenigen, die es sich einfach nicht vorstellen können, weil sie es bisher nicht versucht haben („Baby bleibt nicht beim Papa“, „Baby stillt noch die ganze Zeit“ etc.), macht es wie Pippi Langstrumpf: „Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!“
Schönes Wochenende
Eure Anna